Parodie und Urheberrecht
Ein Kunstwerk beginnt nach seiner Veröffentlichung ein Eigenleben zu führen. Es kann die Grundlage für Werke anderer Autoren bilden. Ein deutliches Beispiel dafür sind Parodien. Doch wie originell sind solche „abgeleiteten“ Schöpfungen? Stellen sie eine Verletzung des Urheberrechts dar? Solche Fragen können durchaus Anlass für gerichtliche Auseinandersetzungen sein, und dafür gibt es Beispiele.
Das belgische Unternehmen „Moulinsart SA“ erhob zwei Klagen gegen französische Bildhauer, die ohne deren Zustimmung das Bildnis der Figur „Tim“ („Tintin“) verwendeten.
Der erste Gerichtsprozess fand in der französischen Stadt Marseille statt. Der Beklagte war der Bildhauer Christophe Tixier. Der Streit betraf Büsten, die einige Körperhaltungen der Figur „Tim“ nachbildeten.
Der Einwand des Beklagten lautete, dass „Tim“ nicht urheberrechtlich geschützt sei, da die Figur auf „Tintin-Lutin“ basiere, die 1898 vom Illustrator Benjamin Rabier erfunden wurde. „Der Kläger ist streng genommen nicht der Schöpfer der Figur ‚Tim‘!“, rief der Anwalt von Christophe Tixier aus.
Der Vertreter von „Moulinsart SA“ behauptete, sein Gegner verwechsle Originalität mit Neuheit.
Das Gericht befand, dass das ursprüngliche Werk originell sei und die Skulpturen von Christophe Tixier, die die Figur „Tim“ nachbildeten, eine Urheberrechtsverletzung darstellten. Infolgedessen gab das Gericht der Klage statt und verurteilte den Bildhauer zur Zahlung einer Entschädigung von über hunderttausend Euro. Zudem untersagte das Gericht Christophe Tixier den Verkauf der Skulpturen.
Der andere Gerichtsprozess fand in der französischen Stadt Rennes statt. Kläger war wiederum die Firma „Moulinsart SA“. Der Beklagte war Xavier Marabu, der in seinen Werken die Bildnisse der Figuren „Tim“ und „Edward Hopper“ verwendete.
Diesmal ging der Beklagte als Sieger hervor. Das Gericht entschied: Wenn ein Werk zu humoristischen Zwecken genutzt wird, ist die Zustimmung des Urhebers des Originalwerks nicht erforderlich.
Die Schlussfolgerungen der französischen Gerichte geben Anlass zum Nachdenken. Tatsächlich ist das Hauptmerkmal jeder Parodie der Humor. Gerade dank des Humors kann eine Parodie Originalität beanspruchen, die für den rechtlichen Schutz so wichtig ist.
Doch etwas anderes ist ebenfalls offensichtlich. Es kommt vor, dass Inhaber von Urheberrechten an Kunstwerken Parodien negativ gegenüberstehen und sie als Eingriff in ihre geistigen Eigentumsrechte betrachten. Diese rechtlichen Risiken sollten Parodisten berücksichtigen.