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13.05.2016
Vertrag mit einem russischen Partner: Was sollte die nichtrussische Vertragspartei immer vor Augen haben
13.05.2016

Vertrag mit einem russischen Partner: Was sollte die nichtrussische Vertragspartei immer vor Augen haben

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Ausländische Firmen, die Geschäfte mit russischen Partnern führen, stoßen häufig auf unerwartete Schwierigkeiten: Rechtsgeschäfte werden angefochten, auch nachdem sie teilweise erfüllt wurden; geleistete Lieferungen/Dienstleistungen werden geleugnet; Forderungen bleiben durch die russischen Partner unbeglichen. Die Befolgung der nachstehenden vereinheitlichten Ratschläge kann helfen, Auseinandersetzungen und unvorhergesehene Verluste zu vermeiden:

  • Prüfung der Bonität des russischen Partners:

    • a. vor Aufnahme der Geschäftsbeziehungen;

    • b. im Verlauf der Geschäftsbeziehungen.

  • Prüfung von juristischen Formalitäten vor Vertragsabschluss:

    • a. Berechtigung des Unterzeichners seitens des russischen Partners;

    • b. Form des Rechtsgeschäfts;

    • c. einzelne Vertragsbedingungen.

  • Pünktliche Dokumentierung des Verfahrens der Vertragserfüllung.

Nachstehend finden Sie unsere Erläuterungen zu diesen Stichpunkten sowie unsere Empfehlungen diesbezüglich.

1. PRÜFUNG DER BONITÄT DES RUSSISCHEN PARTNERS

Vor dem Beginn eines langfristigen Projektes bzw. eines bedeutenden und teuren Einzelprojektes mit dem russischen Partner ist es immer empfehlenswert, eine umfassende due diligence Prüfung vorzunehmen. 
Ist eine solche Prüfung aus irgendeinem Grund unmöglich oder nicht zweckmäßig, so kann die Bonität des russischen Partners anhand der folgenden öffentlich frei zugänglichen Internet-Ressourcen (auf Russisch) geprüft werden: 

Prüfen Sie bitte die Bonität des russischen Partners vor der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen. Denken Sie daran, diese Prüfung zu wiederholen: auch stabile Firmen können in Konkurs geraten, ihre Eigentümer wechseln oder aufgelöst werden.

egrul.nalog.ru

hier kann der Auszug aus dem russischen Einheitlichen Staatsregister juristischer Personen (im weiteren – EGRUL) heruntergeladen werden; die Registrierung des russischen Partners als juristische Person festgestellt werden; Informationen über seine Adresse, vertretungsberechtigte Personen sowie über andere wichtige Umstände ermittelt werden

service.nalog.ru/uwsfind.do

Informationen über die angebahnten, aber aus dem EGRUL-Auszug noch nicht ersichtlichen Registrierungsvorgänge (Verlegung des Sitzes, Wechsel des Einzelexekutivorgans usw.)

vestnik-gosreg.ru

Informationen über gefasste Beschlüsse betreffend die Auflösung oder Umwandlung des russischen Partners, Minderung seines Stammkapitals usw.

service.nalog.ru/disqualified.do 
service.nalog.ru/disfind.do 
service.nalog.ru/svl.do
hier kann geprüft werden, ob der Leiter oder Mitglieder anderer Leitungsorgane des russischen Partners disqualifiziert sind (d. h. unter dem Verbot der Besetzung von Führungsstellen wegen der Begehung von Rechtsverletzungen stehen)
service.nalog.ru/addrfind.do
service.nalog.ru/baddr.do
Informationen über die Adressen der sog. „Massenregistrierung“, die häufig durch Scheinfirmen bzw. Briefkastenfirmen genutzt werden

service.nalog.ru/zd.do Informationen über Steuerrückstände

service.nalog.ru/mru.do

Service der Prüfung der Verbundenheit von Unternehmen aufgrund der Identität ihrer Leiter oder Mitglieder 

kad.arbitr.ru Informationen über die laufenden und abgeschlossenen Gerichtsverhandlungen vor den staatlichen Wirtschaftsgerichten, bei welchen der russische Partner beteiligt ist (Suche nach dem Firmennamne und/oder Registrierungsnummer (OGRN) bzw. Steuernummer (INN))

kommersant.ru/bankruptcy Informationen über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen den russischen Partner

Stellt die russische Sprache für Sie jedoch ein unüberwindliches Hindernis dar, so wäre es denkbar, eine spezialisierte Firma heranzuziehen, welche die Zusammenstellung der Informationen aus den obig erwähnten Internet-Ressourcen, insbesondere auf Englisch, anbietet. Die Bonität des russischen Partners können auch Rechtsanwälte prüfen. Die Kosten einer Standardprüfung überschreiten für gewöhnlich nicht die Summe von 1 000 €.


2. PRÜFUNG DER BERECHTIGUNG DES UNTERZEICHNERS

Während der Unterzeichnung des Vertrags prüfen Sie bitte die Berechtigung des Unterzeichners. In einer russischen Firma können als bevollmächtigte Unterzeichner folgende Personen auftreten:

A. Einzelexekutivorgan (üblich Generaldirektor);

B. Vertreter, der aufgrund einer Vollmacht, erteilt durch das Einzelexekutivorgan, handelt.

Einige Firmen können unter ähnlichen Benennungen operieren. Erkunden Sie sich bitte nach der Registrierungsnummer (OGRN) und Steuernummer (INN) der Firma, damit die Person des Vertragspartners mit Sicherheit festgestellt werden kann.

Fordern Sie bitte die Berechtigungsnachweise an und bewahren Sie diese auf:

  • Gründungsunterlage der Firma (Satzung);
  • Beschluss über die Ernennung des Unterzeichners auf diese Position;
  • Auszug aus dem EGRUL, nicht älter als 1 Monat.
Es ist möglich, diese Dokumente direkt beim russischen Partner anzufordern: dies entspricht der gängigen Geschäftspraxis in Russland. Die Satzung und der EGRUL-Auszug können bei einer beliebigen Inspektion des Föderalen Steuerdienstes Russlands beantragt werden. Der aktuelle EGRUL-Auszug in Form eines elektronischen Dokumentes kann auch von der Internetseite egrul.nalog.ru heruntergeladen werden.

Prüfen Sie bitte die Berechtigung des Unterzeichners und fordern Sie die Berechtigungsnachweise an. Ist das Geschäft ein Großgeschäft? So fordern Sie bitte die Bewilligung der Aktionäre/Gesellschafter an.

Tritt als Unterzeichner ein aufgrund einer Vollmacht handelnder Vertreter auf, ist es für die Prüfung seiner Berechtigung notwendig, die Vorlage seiner Vollmacht (Original) sowie den Berechtigungsnachweis des diese Vollmacht erteilten Einzelexekutivorgans zu fordern. Im Falle eines wirklich bedeutenden und teuren Projektes haben Sie immer das Recht, die Vorlage einer notariell beurkundeten Vollmacht zu fordern (Notarkosten liegen dabei bei einer Summe von 30 €). Die Gültigkeit einer notariell beurkundeten Vollmacht kann zudem im Online-Register der aufgehobenen Vollmachten geprüft werden: reestr-dover.ru

Ein Geschäft kann als unwirksam angefochten werden, wenn es ohne die gesetzesmäßige oder satzungsmäßige Bewilligung der Gesellschafter/Aktionäre oder des Direktorenrates abgeschlossen wurde. Fragen Sie bitte nach der Satzung, um festzustellen, ob das Geschäft ein Großgeschäft (z. B. im Fall des Werts dieses Geschäfts von über 20% der Aktiva des Vertragspartners) ist bzw. andere Einschränkungen der Befugnisse des Einzelexekutivorgans existieren. Ist dies der Fall, so fordern Sie bitte die gesellschaftsrechtliche Bewilligung an.


3. CULPA IN CONTRAHENDO

Der für die nichtrussische Geschäftspraxis übliche Rechtsbegriff der culpa in contrahendo wurde im russischen Zivilrecht erst neulich – im Jahre 2015 – instituiert. Eine Anwendungspraxis dieses Begriffes hat sich noch nicht herausgebildet. Scheitern die Vertragsverhandlungen infolge der Unlauterkeit des russischen Partners, so ist die Eintreibung der in diesem Zusammenhang erlittenen Schäden zwar möglich, aber eventuell entgegen der Erwartungen sehr kompliziert und wenig erfolgreich.

Der Begriff culpa in contrahendo befindet sich in Russland noch in der Entwicklung. Die Eintreibung der aus der Unlauterkeit erlittenen Schäden ist zwar gesetzlich möglich, aber praktisch schwer.


4. VERTRAGSFORM

Nach russischem Recht sollen Verträge und andere Geschäfte nur in Schriftform abgeschlossen werden. Die Einhaltung des Schriftformerfordernisses kann nicht nur durch die Ausfertigung eines zweiseitig unterzeichneten Dokumentes, sondern auch durch Brief-, Telegramm-, Telex-, Faxaustausch bzw. übrigen Dokumentenaustausch gewährleistet werden. Möglich ist auch der Abschluss eines Geschäfts durch den Austausch von elektronischen Dokumenten, sofern die eingesetzten Kommunikationsmittel die zuverlässige Feststellung des Absenders ermöglichen.

Die Unterzeichnung des Vertrags in Form eines schriftlichen Dokumentes ist zu empfehlen. Die Weigerung des Vertragspartners, einen schriftlichen Vertrag zu unterzeichnen, ist als Alarmzeichen zu sehen. Beim Rahmenvertrag beachten Sie bitte die Ausfertigung der einzelnen Bestellungen als schriftliche Anlagen zu diesem Vertrag. Dies wird im Falle eines eventuellen Gerichtsstreites nützlich sein. 

Die Weigerung des russischen Partners, einen schriftlichen Vertrag abzuschließen, ist ein Anlass zur Besorgnis. Der russische Partner benötigt den Vertrag in Schriftform selber für die Tätigung von Zahlungen in Banken und für die ordnungsgemäße Erledigung von Zollformalitäten. Die Durchführung von Geschäften ohne Ausfertigung des Vertrags in Schriftform kann Signal der Unterbewertung der in Russland zu importierenden Waren zu Zollzwecken sein. Praktisch gesehen ist somit die Ausfertigung und Unterzeichnung des Vertrags in Form eines zweiseitigen Dokuments zu empfehlen und kann helfen: 

  • die Erledigung von Formalitäten der Devisenkontrolle zu vereinfachen,
  • Streitigkeiten zu vermeiden, 
  • gute Rechtsposition vor Gericht bei einem möglichen späteren Streit zu sichern. 

Diese Empfehlung trifft auch für einzelne Bestellungen bei Rahmenverträgen zu: ihre Ausfertigung in Form einer zweiseitigen schriftlichen Anlage zum Vertrag ist ebenfalls höchst empfehlenswert.


5. ABSICHERUNG

Als Schutz gegen den eventuellen Vertragsbruch, besonders für den Fall, dass die Vertragsleistung vor Bezahlung dieser zu erfolgen hat, wäre eine Absicherung in folgenden Formen sehr hilfreich:

  • Hypothek (wird in ein spezielles Register eingetragen), 
  • Verpfändung der Waren (kann in das Register des verpfändeten beweglichen Vermögens eingetragen werden), 
  • Verpfändung der Aktien/Geschäftsanteile (falls sie einen wirtschaftlichen Wert haben), Wertpapiere,
  • Verpfändung der Forderungsrechte (z.B. Forderungsrechte des Vertragspartners aus den Verträgen mit Endkunden),
  • Verpfändung der Forderungsrechte aus Bankkontoverträgen („Sperrung“ von bestimmten Summen auf den Konten des Vertragspartners),
  • Bürgschaft durch eine natürliche Person (sofern der Bürge über bedeutende Sachwerte verfügt), 
  • Garantie einer juristischen Person (z.B. der Mutter-/Schwestergesellschaft, die über bedeutende Aktiva verfügt: Immobilien, Investitionsgüter),
  • Bankgarantie (effiziente, zuverlässige und schnelle, jedoch recht teure Absicherung).


6. VERTRAGSERFÜLLUNG

Jede Leistung sollte gegen die Übergabe eines von dem Vertragspartner unterzeichneten Dokuments (Protokoll, Warenbegleitschein usw.) erfolgen, besonders für den Fall, dass der abgeschlossene Vertrag einen Zahlungsaufschub vorsieht. In diesem Dokument sollte Folgendes schriftlich bestätigt werden:

  • Festestellung der erfolgten Leistung;
  • Fehlen von Ansprüchen in Bezug auf Qualität und Menge. 
Bei der Warenübergabe sollten die Befugnisse des die Ware abnehmenden Mitarbeiters des russischen Partners geprüft werden: er muss über die ordnungsgemäß ausgefertigte Vollmacht verfügen. Es ist dabei wünschenswert, ein Original oder zumindest eine Kopie dieser Vollmacht zu behalten. Ebenfalls empfehlenswert wäre die vorherige Abstimmung der Liste der zur Warenabnahme bevollmächtigten Personen.


7. GERICHTSSTAND 

Bei der Bestimmung des Gerichtsstandes für Streitigkeiten kann eine Auswahl zwischen folgenden möglichen Gerichtsstände getroffen werden:

  • russisches Staatsgericht,
  • internationales Schiedsgericht,
  • nichtrussisches Staatsgericht.
Die Bestimmung eines ausländischen Staatsgerichts zum Gerichtsstand ist in den meisten Fällen nicht empfehlenswert. Das in einem solchen Gericht gegen den russischen Partner erlangten Gerichtsurteil bedarf höchstwahrscheinlich der Vollstreckung in Russland. Nach russischem Recht ist eine solche Vollstreckung aber nur in dem Fall zulässig, wenn diese durch ein internationales Abkommen mit Beteiligung Russlands erlaubt wird. Es existieren allerdings nur wenige solcher Abkommen: sie gelten in den meisten Fällen für GUS- und Entwicklungsstaaten. Ausnahmsweise kann diese Vollstreckung auch beim Fehlen eines solchen Abkommens kraft des internationalen Reziprozitätsgrundsatzes gewährt werden; in der Praxis kommt dies aber äußerst selten vor.

Ist das Gerichtsurteil in Russland zu vollstrecken, so wäre das russische Gericht als Gerichtsstand empfehlenswert: das Verfahren ist hier schnell und kostengünstig. Im Falle eines spezifischen und komplizierten Vertrags wäre die Vereinbarung eines internationalen Schiedsgerichts denkbar. Sachkenntnisse der Schiedsrichter sind dort gewöhnlich besser; das Verfahren kann aber zeitraubend und teuer sein.

Die Schiedssprüche der internationalen Schiedsgerichte werden grundsätzlich auf dem Territorium Russlands anerkannt und vollstreckt. Zwar bedarf die Vollstreckung eines solchen Schiedsspruchs der Antragsstellung beim russischen Staatsgericht, allerdings ist seine Rolle in diesem Verfahren recht gering.
Bei der Auswahl zwischen dem russischen Staatsgericht und dem internationalen Schiedsgericht sollten folgende Umstände in Betracht gezogen werden:

  • Fristen:
    Russische Staatsgerichte arbeiten grundsätzlich schneller als die meisten Schiedsgerichte; die Vollstreckung ihrer Urteile in Russland verläuft ebenfalls zeitsparend.
  • Kosten:
    Die Gebühren bei russischen Staatsgerichten sind niedriger (bis zu 3 000 €).
  • Sachkenntnisse:
    Sachkenntnisse der Schiedsrichter sind für gewöhnlich besser.
  • Komfort:
    Das Verfahren in einem internationalen Schiedsgericht ist meist bequemer für die Verfahrensbeteiligten.

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