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08.12.2020
Wann kann ein russischer Vertragshändler eine Ausgleichszahlung für die Beendigung eines Vertragshändlervertrags verlangen. Recht der Schweiz.
08.12.2020

Wann kann ein russischer Vertragshändler eine Ausgleichszahlung für die Beendigung eines Vertragshändlervertrags verlangen. Recht der Schweiz.

Russische Vertragshändler schließen nicht selten Vertragshändlerverträge mit ausländischen Lieferanten ab. Häufig sehen solche Verträge vor, dass der Lieferant zur jeder Zeit sich das Recht vorbehält, den Vertragshändlervertrag jederzeit kündigen zu können, ohne das für den Vertragshändler ein Entschädigungs-/ Ausgleichsanspruch vorgesehen ist. Es ist jedoch keineswegs so, dass das Gericht eine Entschädigung verweigert, selbst wenn solche Vertragsbestimmungen vorliegen.

Solche Verträge unterliegen in der Regel ausländischem Recht: schweizerischem, deutschem, französischem etc. Außerdem wird die Frage der Entschädigung in den verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedlich gehandhabt. Mit diesem Newsletter zum Schweizer Recht beginnen wir unsere Serie von Übersichten über die Entschädigung von Vertragshändlern bei Vertragskündigung nach dem Recht der wichtigsten ausländischen Rechtsordnungen.

Wir empfehlen, bei Abschluss eines jeden Vertragshändlervertrags die Wahl des anwendbaren Rechts sorgfältig zu prüfen. Je nach dem können unterschiedliche Ansätze zur Regulierung der Beziehung zwischen Vertragshändler und Lieferant gewählt werden. Dies gilt insbesondere bei Vertragskündigung, wenn der Vertragshändler Entschädigungsansprüche aufgrund einer Werterhöhung des Goodwills (Kundschaftsentschädigung) geltend macht.

Die nachstehenden Schlussfolgerungen sind auch für russische Exporteure von Bedeutung, die Vertragshändlerverträge nach schweizerischem Recht mit ausländischen Vertragshändlern geschlossen haben.

1. Vertragshändlerverträge im Schweizerischem Recht

Unter einem Vertragshändler (Abnehmer) versteht man eine Person, die vertraglich verpflichtet ist, Vertragswaren des Lieferanten zu kaufen und sie in einem bestimmten Vertragsgebiet weiterzuverkaufen. Der Vertragshändler kann exklusiv die Vertragswaren im Vertragsgebiet vertreiben, wenn es sich bei dem Vertragshändlervertrag um einen mit exklusiver Gebietszuweisung, also mit einer Alleinvertriebsklausel handelt (Alleinvertriebsvereinbarung). Typische Verpflichtungen eines Vertragshändlers sind die Förderung des Absatzes, die Durchführung von Marketing und Werbemaßnahmen, die Steigerung des Bekanntheitsgrads der Marke und der Produkte in dem ihm zugewiesenen Vertragsgebiet sowie anderweitige Maßnahmen zur Förderung des Absatzes.

Ein Vertragshändler, der Vertragswaren von einem Lieferanten bezieht, erhält keine gesonderte Vergütung. Seine Gewinne ergeben sich ausschließlich aus der Differenz zwischen dem Lieferanteneinkaufspreis und dem Wiederverkaufspreis an seine Kunden. Sofern in dem Vertragshändlervertrag nichts anderes festgelegt ist, hat der Vertragshändler keinen Anspruch auf ein Entgelt für einzelne Ausgaben, die er im Rahmen des Vertragshändlervertrags übernimmt und die durch die Aufrechterhaltung von Mindestbeständen, die Durchführung von Marktanalysen, den Aufbau von Absatzketten usw. entstehen.

Das Schweizerische Obligationenrecht (OG)1 regelt den Vertragshändlervertrag nicht ausdrücklich. Das bedeutet, dass der Vertragshändlervertrag (Alleinvertriebsvereinbarung) in der Schweiz, wie auch in Russland, zu den gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten Verträgen (Innominatvertrag bzw. Vertrag sui generis) gehört. Ein Vertragshändlervertrag kombiniert Elemente eines Kauf-, Agentur- (Handelsvertreter-) und Geschäftsbesorgungsvertrags (entgeltliches Treuhandgeschäft). Wenn sich herausstellt, dass ein bestimmter Sachverhalt vertraglich nicht ausdrücklich geregelt ist, können die Vorschriften des OG über den Kauf-, Agentur- (Handelsvertreter-) bzw. Geschäftsbesorgungsvertrag analog angewendet werden, soweit dies im konkreten Einzelfall möglich ist.

So enthalten Vertragshändlerverträge häufig zusätzliche Verpflichtungen für die Vertragshändlerseite, die dem Lieferanten ein gewisses Maß an Kontrolle über dessen Tätigkeit ermöglichen: z.B. durch Marketing- und Werbemaßnahmen, Aufrechterhaltung von Mindestlagerbeständen, Einweisung und Schulung einzelner Mitarbeiter im Bereich der Produkt-Kundenbetreuung usw. Je größer der Einfluss und die Beteiligung des Lieferanten am Geschäft des Vertragshändlers sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass zwingende Vorschriften zum Schutz des Vertragshändlers auf einen solchen Vertrag angewendet werden können.

Der Agenturvertrag (Handelsvertretervertrag) ist im schweizerischen Recht in den Artt. 418a bis 418v OG normiert. In der Rechtsprechung der schweizerischen Gerichte werden dispositive Agenturvertragsklauseln oft in Analogie zum Gesetz auf Vertragshändlerverträge angewendet.

Wenn beispielsweise ein auf eine nicht bestimmte Zeit geschlossener Vertragshändlervertrag die Frage der Kündigung nicht regelt, können die Vorschriften des OG, insbesondere Art. 418q analog auf diesen angewendet werden. Art. 418q OG sieht das Recht beider Vertragsparteien vor, den Vertrag mit einer Kündigungsfrist von 1 bis 2 Monaten zu kündigen, je nach Dauer des Vertragsverhältnisses.

Eine Reihe von Normen des OG, die sich auf Handelsvertreterverträge beziehen, ist jedoch zwingend. Sie sollen in der Regel den Handelsvertreter als die schwächere Vertragspartei schützen und können im Handelsvertretervertrag nicht geändert oder außer Kraft gesetzt werden. Sie können jedoch in der Regel nicht direkt auf Vertragshändlervertrag angewandt werden mit einigen wenigen Ausnahmen.

2. Entschädigungsansprüche des Vertragshändlers aufgrund einer Werterhöhung des Goodwill gem. Art. 418u OR

Die Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts hat einen differenzierten Ansatz für die Anwendung der zwingenden Vorschriften des OG über Handelsvertreterverträge auf Vertragshändlerverträge entwickelt. In der Rechtssache Nr. 4A_61/ 2008 vom 22. Mai 2008 kam das Bundesgericht zum Schluss, dass die zwingenden Regeln von Art. 418u OG über die Entschädigungsansprüche aufgrund einer Werterhöhung des Goodwills (Kundschaftsentschädigung) auch auf den Alleinvertrieb angewendet werden können, wenn die Stellung des Vertragshändler (Alleinvertreters) wirtschaftlich derjenigen des Vertreters ähnlich ist.

So kann nach schweizerischem Recht ein Vertragshändler eine Entschädigung aufgrund einer Werterhöhung des Goodwills (Kundschaftsentschädigung) beanspruchen, wenn (1) seine Stellung wirtschaftlich mit der eines Vertreters vergleichbar ist und (2) wenn die Kriterien von Art. 418u OG erfüllt sind.

Nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs ist die erste Bedingung erfüllt, wenn nachgewiesen wird, dass der Vertragshändler eng in die Liefer- und Absatzkette des Lieferanten eingebunden ist und der Kundenstamm auch nach Beendigung des Vertrags beim Lieferanten bleibt.

Die Einhaltung dieser Anforderungen wird von Fall zu Fall und unter Berücksichtigung aller Umstände geprüft. Die Beweislast liegt beim Vertreiber.

Die Elemente der zweiten Bedingung sind gesetzlich vorgeschrieben. In Art. 418u OG ist das Recht des Vertreters verankert, eine Vergütung für seine Kundschaft zu erhalten:

„Hat der Agent durch seine Tätigkeit den Kundenkreis des Auftraggebers wesentlich erweitert, und erwachsen diesem oder seinem Rechtsnachfolger aus der Geschäftsverbindung mit der geworbenen Kundschaft auch nach Auflösung des Agenturverhältnisses erhebliche Vorteile, so haben der Agent oder seine Erben, soweit es nicht unbillig ist, einen unabdingbaren Anspruch auf eine angemessene Entschädigung.“

Der Anspruch des Vertragshändlers auf Entschädigung aufgrund einer Werterhöhung des Goodwills (Kundschaftsentschädigung) gegenüber dem Lieferanten wird also anhand der folgenden Kriterien beurteilt:

  • Der Vertragshändler ist eng in die Liefer- und Absatzkette des Lieferanten eingebunden und

  • Der Kundenstamm bleibt auch nach Beendigung des Vertrags beim Lieferanten;

  • Der Vertragshändler hat durch seine Aktivitäten den Kundenstamm des Lieferanten erheblich vergrößert;

  • Der Lieferant profitiert weiterhin stark von diesem Kundenstamm auch nach Beendigung des Vertrags;

  • Die Kündigung des Vertrags erfolgte nicht aus einem Grund, den der Vertragshändler zu vertreten hat.

Die Höhe der Entschädigung wird nach dem OG festgelegt, darf jedoch den vertraglichen Nettogewinn für ein Jahr nicht übersteigen, der auf der Grundlage des Durchschnittseinkommens der letzten fünf Jahre oder der gesamten Vertragslaufzeit berechnet wird, wenn die Vertragslaufzeit kürzer gewesen ist.

Unseres Erachtens lässt sich dieser Ansatz auch auf die Situation der Nichtverlängerung eines Vertragshändlervertrags anwenden, der zum Zeitpunkt der Kündigung bereits seit langem in Kraft ist.

3. Einbindung des Vertragshändlers in die Absatzkette des Lieferanten

In dem oben aufgeführten Fall vor dem Schweizerischen Bundesgerichtshof verlangte ein Parfumvertragshändler (Alleinvertreter) Entschädigung aufgrund einer Werterhöhung des Goodwills (Kundschaftsentschädigung) gegen einen Lieferanten, der einen langfristigen Vertragshändlervertrag gekündigt hatte.

Der Schweizerische Bundesgerichtshof stellte fest, dass die Stellung des Vertragshändlers nicht dem eines selbständig handelnden "unabhängigen Unternehmers" entspricht, der die Vertragswaren des Lieferanten lediglich kauft und zu seinem eigenen Vorteil weiterverkauft. Das Gericht verwies auf eine Reihe von vertraglichen Rechten des Lieferanten und Verpflichtungen des Vertragshändlers, die seine Handlungsfreiheit als unabhängiger Vermittler zwischen dem Hersteller und den Endverbrauchern einschränkten:

  • Das Recht des Lieferanten, den Preis und die Lieferbedingungen für die Vertragswaren einseitig zu ändern;

  • Das Recht des Lieferanten, die Produktion oder den Verkauf jeglicher Art von Produkten auszusetzen;

  • Das Recht des Lieferanten, neue vom Vertragshändler vorgeschlagene Märkte zu genehmigen;

  • Die Verpflichtung des Vertragshändlers zur Einhaltung der jährlichen Mindestabnahmemenge der Käufe;

  • Die Verpflichtung des Vertragshändlers, jährlich einen bestimmten Mindestbetrag für eine Werbekampagne auszugeben, um den Absatz des Produkts zu fördern;

  • Die Verpflichtung des Vertragshändlers, einen Mindestbestand zu halten;

  • Die Verpflichtung des Vertragshändlers, dem Lieferanten monatliche Verkaufsberichte vorzulegen, um ihn über die Aktivitäten der Wettbewerber zu informieren;

  • Die Verpflichtung des Vertragshändlers, seine Berichte jedem Vertreter des Lieferanten zur Verfügung zu stellen;

  • Die Verpflichtung des Vertragshändlers, seine Vertriebsaktivitäten einzustellen, sobald das Vertragsverhältnis beendet ist, usw.

Wenn die Stellung des Vertragshändlers in wirtschaftlicher Hinsicht mit der eines Handelsvertreters vergleichbar ist, kann die Anwendung der zwingenden Vorschriften des OG nicht durch den Vertragshändlervertrag eingeschränkt werden.

Dabei wies das Gericht darauf hin, dass die zwingenden Vorschriften des OG nicht dadurch umgangen werden können, dass im Vertragshändlervertrag angegeben wird, dass es sich bei der Beziehung zwischen den Parteien nicht um eine Agentur handelt. Die Parteien sind nicht berechtigt, die tatsächliche und reale Position, die sie in Bezug auf den betreffenden Vertrag einnehmen, durch ihre Vereinbarung auszuschließen. Außerdem kann der Vertragshändlervertrag die Anwendung von Art. 418u OG nicht außer Kraft setzen, selbst wenn diese Vorschrift analog zum Gesetz gilt.

4. Übernahme des Kundenstamms durch den Lieferanten (Kundschaftsentschädigung)

In derselben Rechtssache konzentrierte sich das Schweizerische Bundesgericht bei der Entscheidung über die Entschädigung des Vertriebshändlers für den Kundenstamm auf die Frage des Aufbaus eines Kundenstamms und der Erhöhung der Markenbekanntheit.

Das Gericht stellte fest, dass der Vertriebshändler vertraglich verpflichtet war, regelmäßig Informationen Lieferanten die Namen und Adressen seiner Kunden mitzuteilen. Diese Verpflichtung ist gleichbedeutend mit der Übertragung des Kundenstamms: Sie ermöglicht es dem Lieferanten, sich bei Beendigung des Vertragsverhältnisses den wirtschaftlichen Inhalt anzueignen, der den Kundenstamm des Händlers ausmacht.

Es ist zwischen zwei Arten von Kunden zu unterscheiden:

  • Der Kundenstamm des Händlers, der mit seiner Persönlichkeit und dem Vertrauen seiner Kunden verbunden ist;

  • Der Kundenstamm, der sich um das eigene Unternehmen bildet.

Wenn ein Vertragshändler einen Kundenstamm um eine Marke herum aufgebaut hat, hat er Anspruch auf eine Entschädigung aufgrund einer Werterhöhung des Goodwills (Kundschaftsentschädigung).

Hinsichtlich Konsumgütern bildet sich eine zweite Art von Kunden heraus. Der Kunde legt hier weniger Wert auf die persönliche Bindung des Vertragshändlers als auf die Marke der Vertragsware, unter der er seine Produkte vertreibt. Es ist die Wirkung der Marke, die eine stabile Nachfrage sichert und Vertrauen beim Kunden schafft, für den es weniger wichtig ist, welcher Vertragshändler das exklusive Recht hat, das Produkt unter dieser Marke zu verkaufen. Wenn ein Vertragshändler einen Kundenstamm um eine Marke herum aufgebaut hat, werden die Bedingungen von Art. 418u OR in der Regel als erfüllt angesehen.

In dieser Hinsicht profitiert der Lieferant von der Kündigung des Vertragshändlervertrags, da er durch die Bemühungen des Vertragshändlers Vorteile verschaffen bekommt wie bspw. Die Erhöhung des Bekanntheitsgrads der Marke und eine Stimulierung der Nachfrage.

5. Fazit

  • Welcher Vertragshändler kann einen Entschädigungs-/ Ausgleichsanspruch geltend machen?

    Ein Ausgleich ist dann möglich, wenn die Position des Vertragshändlers mit der eines Handelsvertreters vergleichbar ist, der unter strenger Aufsicht des Lieferanten steht. Der Vertragshändler muss nachweisen, dass er in die Absatzkette seines Lieferanten integriert ist und dass der Kundenstamm auch nach Beendigung des Vertrags beim Lieferanten verbleibt.

  • In welchen Fällen kann man eine Entschädigung beanspruchen?

    Eine Entschädigung ist möglich, wenn der Vertrag aus Gründen, die der Vertragshändler nicht zu vertreten hat, gekündigt wird. Die Bestimmungen des Vertrags, die das Recht des Händlers auf Entschädigung einschränken, finden keine Anwendung.

  • In welcher Höhe kann eine Entschädigung beansprucht werden?

    Die Höhe der Ausgleichszahlung wird auf der Grundlage des Gewinns des Vertragshändlers für ein Jahr berechnet, wobei der durchschnittliche Gewinn der vorangegangenen Jahre berücksichtigt wird (für die Berechnung des Durchschnittswerts kann ein Zeitraum von bis zu 5 Jahren herangezogen werden).

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Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht)

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