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23.03.2016
Mehrere Direktoren einer russischen Gesellschaft: Zentrale Aspekte der Praxis und mögliche Risiken
23.03.2016

Mehrere Direktoren einer russischen Gesellschaft: Zentrale Aspekte der Praxis und mögliche Risiken

Vor dem 1. September 2014 konnte nur ein CEO („Generaldirektor“) in einer Gesellschaft nach russischem Recht bestellt werden. An diesem Tag trat allerdings der Artikel 53 des Zivilgesetzbuches der RF (in der Fassung des Föderalgesetzes Nr. 99-FZ vom 05.05.2014) in Kraft. Hierdurch wurde die Ernennung mehrerer Personen statt bislang nur einer zur Geschäftsführungsposition (im Weiteren – „Direktor“) möglich. Mit anderen Worten kann das „Vier-Augen-Prinzip“ der Geschäftsführung, das in Europa weitbekannt ist, nun in russischen Gesellschaften angewandt werden. 

Untenstehend in unserem Newsletter finden Sie mehr Details über die Ernennung mehrerer Direktoren in einer Gesellschaft sowie über Probleme und Risiken, die sich daraus ergeben können. 

1. KOMPETENZEN MEHRERER DIREKTOREN

Die Bestellung von mehreren Direktoren kann gemäß dem geänderten Zivilgesetzbuches der RF in Form einer der beiden folgenden Typen realisiert werden: 

  1. Ernennung mehrerer Direktoren mit unabhängigen Kompetenzen.
    Dieser Typ wird angenommen, soweit das Einheitliche Staatsregister der Juristischen Personen (EGRUL) nichts anderes vorsieht. In der Praxis bedeutet dies, dass die Unterschrift nur eines Direktors notwendig ist, um einen Vertrag zu schließen. Keine zusätzliche Kontrolle wird demgemäß erreicht, da jeder Direktor selbstständig handeln darf. Das Geschäft (der Vertrag), das von nur einem Direktor unterschrieben wurde, kann von der Gesellschaft nicht angefechtet werden. Ist jedoch ein Direktor abwesend oder krank oder kann aus anderen Gründen für die Gesellschaft nicht unterschreiben, wird die unternehmerische Tätigkeit nicht ausgesetzt. 

  2. Ernennung mehrerer Direktoren mit gemeinsamen Kompetenzen.
    In diesem Fall sind die Unterschriften aller Direktoren der Gesellschaft erforderlich, damit ein Rechtsgeschäft gültig wird. 

Theoretisch darf die Gesellschaft verschiedene Kombinationen der genannten Typen anwenden („gemischte“ Typen). Zum Beispiel müssen die Direktoren in einigen Angelegenheiten gemeinsam handeln, während nur eine Unterschrift in anderen Angelegenheiten ausreichend ist. Die unabhängigen Kompetenzen können auch anhand der Funktionen der Direktoren verteilt werden: ein Direktor unterschreibt Verträge, während der Andere unternehmensinterne Anordnungen unterschreibt – beide handeln selbstständig. Das Gesetz verbietet einen solchen Typ nicht ausdrücklich. 

In der Praxis funktioniert zurzeit nur der Typ der Geschäftsführung, der mehrere Direktoren mit umfassenden unabhängigen Kompetenzen vorsieht (weitere Details entnehmen Sie bitte dem dritten Abschnitt). 

2. BESTELLUNGSVERFAHREN

Die folgende Handlungen sind für die Bestellung von mehreren Direktoren in der Gesellschaft erforderlich: 

  1. Änderung der Satzung der Gesellschaft.
    Die Satzung muss für die Wirksamkeit der Bestellung mehrerer Generaldirektoren die Information über die unabhängigen oder gemeinsamen Kompetenzen der Direktoren enthalten.
    Die Satzung ist durch die Gesellschafterversammlung der Gesellschafter zu genehmigen und bei den Registrierungsbehörden (der Föderale Steuerdienst) zu registrieren. 

  2. Eintragung der Direktoren in das EGRUL.
    Die Information über die Bestellung von mehreren Direktoren ist in das EGRUL einzutragen. 

Die Eintragung der Information in das EGRUL ist für die Gültigkeit der Kompetenzen der Direktoren in Bezug auf Dritte erforderlich. Wenn zum Beispiel die Kompetenzen nur gemeinsam ausgeübt werden können und das Rechtsgeschäft ohne die Unterschrift eines Direktors abgeschlossen wird, ist es nichtig und gilt als „nicht unterzeichnet“. 

3. RISIKEN

Obwohl die angenommenen Änderungen progressiv sind, gibt es für einige von ihnen noch rechtliche und technische Hindernisse, um richtig zu funktionieren: 

  • Zurzeit bietet das EGRUL keine Möglichkeit das gemeinsame oder gemischte Kompetenzenmodell (bei dem einige Kompetenzen gemeinsam, und andere unabhängig sind) festzulegen. Das bedeutet, dass die Direktorenkompetenzen für Dritte im Allgemeinen unabhängig sein werden, auch im Fall der Festlegung des gemeinsamen oder gemischten Kompetenzenmodells in der Satzung. 

  • Das Gesetz legt nicht fest, ob bei der Ablösung eines Generaldirektoren mit gemeinsamen Kompetenzen der andere Generaldirektor für beide unterschreiben darf, oder die Gesellschaft bis zu der Bestellung des zweiten Generaldirektors handlungsunfähig ist. Wir nehmen an, dass im Fall der Ablösung eines Generaldirektoren mit gemeinsamen Kompetenzen die Kompetenzen des anderen Generaldirektors mit dem Beschluss der Gesellschafter ihre Gültigkeit behalten (es wird angenommen, dass die Gesellschafter einen handlungsfähigen Gesellschafter in der Gesellschaft belassen wollten, ansonsten hätten sie auch ihn abgelöst). Lehnt jedoch einer der Direktoren ab (oder ist unfähig) seine Verpflichtungen zu erfüllen, sind die Kompetenzen der anderen Direktoren für die Vertretung der Gesellschaft nicht ausreichend. 

  • Eine andere umstrittene Frage ist, ob einer der Direktoren mit gemeinsamen Kompetenzen dem anderen Direktor eine Vollmacht erteilen darf, so dass einige Aktionen allein auf Entscheidung dieses zweiten Direktors vorgenommen werden können. Es ist nicht ausdrücklich gesetzlich verboten, sodass nach unserer Meinung dieses Problem in der Satzung der Gesellschaft gelöst werden kann. 

4. ALTERNATIVEN? 

Wie aus den vorangehenden Ausführungen ersichtlich wird, ist die Ernennung von mehrerer Direktoren kein einfacher und schneller Prozess. 

Aus diesem Grund führen einige Gesellschaften eigene interne Politiken (vergleichbar mit dem „Vier-Augen-Prinzip“) als Alternative ein, der zufolge die Dokumente vom Direktor und anderen Vertretern der Gesellschaft (Hauptbuchhalter, Rechnungsrevisor, Vertreter der Gesellschafter usw.) zu unterzeichnen sind. 

Dieses Modell ist an sich gesetzlich nicht verboten und es könnte helfen, das Hauptziel zu erreichen: den Abschluss von Geschäften, die für die Gesellschaft schädlich sind und bei denen die Kenntnisse oder Erfahrung von dem Generaldirektor in dem bestimmten Tätigkeitsbereich einfach nicht ausreichend sind, zu vermeiden. 

Auch wenn solche Regeln in der Satzung der Gesellschaft eingeführt werden, sind diese nicht automatisch für Dritte verbindlich (Partner, Vertragspartner der Gesellschaft). Selbst wenn ein Vertrag nur von einem Direktor (ohne zweite Unterschrift) unterzeichnet ist, wird ein solches Geschäft nicht vom Gericht aufgehoben werden; lediglich Disziplinarmaßnahmen können in diesem Fall gegen den Generaldirektor angewendet werden.

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