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20.03.2019
Wann wird der Geschäftsführer oder der Begünstigte einer Firma für ihre Schulden Haftung tragen?
20.03.2019

Wann wird der Geschäftsführer oder der Begünstigte einer Firma für ihre Schulden Haftung tragen?

Eine der Funktionen der GmbH und AG ist die Beschränkung der Haftung ihrer Gründer auf die Höhe der Stammkapitaleinlagen, welche sie an die Firma geleistet haben. In einigen Fällen funktioniert aber diese Einschränkung nicht mehr und die Gesellschafter (Gründer, Aktionäre) sowie der Geschäftsführer und andere Personen, welche die Schuldnerfirma kontrollieren, haften für die Schulden dieser Firma. Diese Art der Haftung wird als subsidiäre bezeichnet. Die subsidiäre Haftung wird erst dann ausgelöst, wenn die Aktiva einer Firma alleine für die Tilgung der Schulden dieser Firma nicht ausreichen.

Die subsidiäre Haftung entwickelt sich in Russland mit Riesenschritten: Vor ein paar Jahren funktionierte dieses Rechtsinstitut tatsächlich nicht, während es jetzt Hunderte stattgebender Gerichtsbeschlüsse gibt und die Gesamtsumme der im Rahmen der subsidiären Haftung eingetriebenen Schulden etwa 200 Milliarden Rubel jährlich beträgt.

1. WER HAFTET SUBSIDIÄR?

Zur subsidiären Haftung kann man die kontrollierenden Personen eines Schuldners (KPS) ziehen. KPS sind natürliche oder juristische Personen, die innerhalb von den der Insolvenz der Firma vorangehenden drei Jahren direkt oder indirekt diese Firma bzw. deren Entscheidungen beeinflusst haben1. Dieser Begriff ist sehr breit und kann gegebenenfalls Personen einschließen, die formal nicht mit der Firma verbunden sind, aber deren Mitbeteiligung an ihren Geschäften jedoch gerichtlich bewiesen wird.

Als kontrollierend gelten die Personen, welche direkt oder indirekt die Firma bzw. deren Entscheidungen beeinflusst haben. Für die Schulden der Firma können sie mit ihrem persönlichen Vermögen haften.

Es wird präsumiert, dass die folgenden Personen Kontrolle über eine Firma ausüben:

  • Geschäftsführer des Schuldners, Geschäftsführer der Verwaltungsgesellschaft, Liquidator, Mitglied der Liquidationskommission;

  • Gesellschafter (Gründer, Aktionär) mit dem Gesellschaftsanteil (Anzahl der stimmberechtigten Aktien) i.H.v. 50% oder mehr;

  • Person mit dem Recht, Geschäftsführer der Firma zu ernennen;

  • Person, welche Vorteile aus den gesetzeswidrigen bzw. unlauteren Handlungen des Geschäftsführers gezogen hat.

  • Vor Gericht kann es jedoch nachgewiesen werden, dass noch andere Personen kontrollierende Personen sind, z. B. Buchhalter. Die Liste bleibt somit offen.

    Die Nominalgeschäftsführer / -gesellschafter des Schuldners unterliegen einer Sonderregelung: Das Gericht kann sie von der Haftung entbinden, wenn sie keinen maßgebenden Einfluss auf die Firma ausgeübt haben und gleichzeitig dem Gericht Informationen über die tatsächlichen KPS (Begünstigten und/oder tatsächlichen Geschäftsführer oder Gesellschaft) zur Verfügung gestellt haben. Dadurch wird gesetzlich die Förderung der Offenlegung durch die Nominalgeschäftsführer und –gesellschafter von den tatsächlichen KPS, welche über die für die Tilgung der Schulden ausreichenden Vermögen verfügen können, wahrgenommen.

    2. WIE SIND DIE GRÜNDE DER SUBSIDIÄREN HAFTUNG?

    Es wird durch das Gesetz präsumiert, dass zum Grund für die Heranziehung der KPS zur Haftung für die Schulden der Firma folgende Handlungen werden können:

    • Abschluss der Geschäfte zum Schaden der Gläubiger (Art. 61.11 Pkt. 2 Ziff. 1 des Insolvenzgesetzes);
    • Vernichtung oder Verfälschung von Buchhaltungsunterlagen (Art. 61.11 Pkt. 2 Ziff. 2 des Insolvenzgesetzes);

    • Rückstände an Steuern, verwaltungsrechtlichen und strafrechtlichen Strafen mit der Höhe von mehr als 50% der gesamten Summe der Schulden2 (Art. 61.11 Pkt. 2 Ziff. 3 des Insolvenzgesetzes);

    • Vernichtung oder Verfälschung von Gründungsunterlagen sowie anderen Unterlagen, die man zwingend aufbewahren muss (Art. 61.11 Pkt. 2 Ziff. 4 des Insolvenzgesetzes);

    • Unterlassung der Eintragung von Angaben ins Einheitliche Staatsregister Juristischer Personen (EGRUL) und ins Einheitliche Föderalregister für Informationen über die Wesentlichen Tatsachen der Tätigkeit Juristischer Personen (EFRSDUL) (Art. 61.11 Nr. 2 Ziff. 5 des Insolvenzgesetzes);

    • Unterlassung der Einreichung (nicht rechtzeitige Einreichung) des Insolvenzantrags (Art. 61.12 des Insolvenzgesetzes).

    Vor Gericht kann jedoch begründet werden, dass subsidiäre Haftung auch in anderen Fällen der Unmöglichkeit der vollständigen Befriedigung von Forderungen der Gläubiger als Folge der Handlungen der KPS einzutreten hat.

    KPS haftet nicht für die Schulden der Firma, wenn sie in der Unmöglichkeit der vollständigen Befriedigung der Forderungen von Gläubigern nicht schuldig ist, wenn sie die Vorschriften des Gesetzes eingehalten hat, wenn sie sich nach bestem Wissen und Gewissen und im Einklang mit Verkehrssitten verhalten hat und wenn die Insolvenz der Firma die Folge des normalen Geschäftsrisikos worden ist.

    3. IN WELCHEM UMFANG HAFTET DIE KPS?

    KPS haftet subsidiär, i.e. – anders gesagt – binnen der Geldsumme, welche der Diskrepanz zwischen dem Gesamtbetrag der Forderungen der Gläubiger und dem Wert des Vermögens der Schuldnerfirma entspricht.

    Zum Beispiel, wenn der Gesamtbetrag der Schulden der Firma 1 Milliarde Rubel ausmacht, während das Vermögen dieser Firma für die Tilgung der Forderungen der Gläubiger nur in Höhe von 100 Millionen Rubeln ausreicht, so haftet die KPS bis zur Höhe von 900 Millionen Rubeln.

    Stellt das Gericht die Schuld mehrerer KPS an der Überschuldung der Firma fest, so haften sie subsidiär und gemeinsam. Das bedeutet, dass jede der KPS allein zur Einzahlung des Gesamtbetrags der Schulden verurteilt sein kann. Sie ist jedoch danach berechtigt, die Schulden von den übrigen KPS proportional anteilig einzuziehen.

    Zum Beispiel, wenn die Höhe der subsidiären Haftung 900 Millionen Rubel beträgt, während es 3 KPS gibt, so kann der Gläubiger die Schuld von einer dieser KPS einziehen, woraufhin diese KPS von den anderen zwei KPS 600 Millionen Rubel einziehen darf.

    Eine Sonderregelung gilt für den Fall der subsidiären Haftung im Zusammenhang mit der versäumten bzw. verspäteten Einreichung des Insolvenzantrags. In diesem Fall haftet die KPS nur binnen des Betrags der Forderungen, die zwischen dem Zeitpunkt, wenn die KPS den Insolvenzantrag einreichen sollte, und dem Zeitpunkt der Einleitung des Insolvenzverfahrens entstanden sind.

    Je nach Umständen des Einzelfalls kann das Gericht den Haftungsumfang einer einzelnen KPS verringern bzw. sie von der Haftung in vollem Umfang entbinden.

    4. WAS MUSS DER GLÄUBIGER BEACHTEN?

    In den Fällen, wenn die Schuldnerfirma in Konkurs geht, kann sich der Gläubiger die Einreichung eines Antrags auf Heranziehung der KPS zur Haftung überlegen. Die Anzahl der Anträge, welche durch Gerichte stattgegeben werden, beträgt zwar ca. 25%. Es muss jedoch in Betracht gezogen werden, dass die Einreichung eines solchen Antrags eine schwere juristische Arbeit ist, die viel Zeit und Geld in Anspruch nimmt. In der Regel wäre es deswegen für den Gläubiger mit relativ kleinen Schulden nicht sinnvoll, solche Nebenkosten zu übernehmen. Wenn die Summe der Schulden jedoch bedeutend ist, so wäre es für den Gläubiger empfehlenswert, zu Zwecken der Vorbereitung des erwähnten Antrags folgende Informationen über die Schuldnerfirma einzuholen:

    • Wer ist die KPS der Schuldnerfirma? Es können die tatsächlichen Begünstigten der Gesellschaft (natürlichen Personen, Gesellschafter oder Geschäftsführer (sowohl nominellen, als auch die tatsächlichen)) sein.

    • Verfügen sie über Vermögenswerte, aus welchen die Forderungen befriedigt werden können?

    • Liegen es Gründe dafür vor, diese KPS zur subsidiären Haftung heranzuziehen?

    Ein vernünftiger Gläubiger wird natürlich diese Informationen auch zu präventiven Zwecken – schon bei Anbahnung von Geschäftsbeziehungen zu neuen Geschäftspartnern – einholen und in der Folgezeit sie aktualisieren.

    5. WAS MUSS DIE KPS BEACHTEN?

    Alle KPS (nominale und tatsächliche Geschäftsführer, Gesellschafter, Begünstigte, Buchhalter etc.) sollen zunächst verstehen, dass der Mechanismus der subsidiären Haftung tatsächlich funktioniert und in der gegenwärtigen Praxis häufig zur Anwendung kommt. Darüber hinaus möchten wir auf Folgendes hinweisen:

    • Das Insolvenzverfahren ist für die Firma mit Schulden kein Allheilmittel. Es wird die KPS nicht von der Pflicht zur Befriedigung der Forderungen aus eigenem persönlichem Vermögen befreien, wenn die KPS, kurz gesagt, unredlich handelt.>
    • Umstrukturierung, Umbenennung, Verlegung des Sitzes und Änderung der Adresse, Wechsel der Geschäftsführer und Gesellschafter, Verschmelzung und andere Optionen der sogenannten „alternativen Auflösung“ von Firmen werden wenig hilfreich.

      Sogar nach Ablauf von mehreren Jahren kann das Gericht im Insolvenzverfahren der Gesellschaft, welche mit einigen Schuldnerfirmen „verschmolzen“ wurde, Beschluss fassen, die ehemaligen KPS der Schuldnerfirmen zur subsidiären Haftung für die Schulden dieser Firmen heranzuziehen.

      Zum Beispiel hat das Gericht im Jahre 2018 in der Sache A65-13314/2016 fünf Geschäftsführer verschiedener Schuldnerfirmen, welche mit einer in Tatarstan ansässigen GmbH verschmolzen wurden, zur subsidiären Haftung für die Schulden dieser Firmen in Höhe von mehr als 200 Millionen Rubel herangezogen. Die Geschäftszeiten dieser Geschäftsführer in den betroffenen Firmen sind in den Zeitraum von 2012 bis 2015 gefallen. Der Gerichtsbeschluss ist in Kraft getreten.

    • Der Einsatz von nominalen Geschäftsführern und/oder Gesellschaftern ist ebenfalls kein Schutz gegen die subsidiäre Haftung. Das Gesetz sieht die Möglichkeit vor, zur Haftung die Personen heranzuziehen, die formell mit der Firma nicht verbunden sind, während sie in der Wirklichkeit diese Firma verwalten oder Profit aus ihren Tätigkeiten erwirtschaften. Darüber hinaus stimuliert das Gesetz die Offenlegung der tatsächlichen KPS durch die Nominalgeschäftsführer und (oder) –gesellschafter.

    Haftungsausschluss: Einfachheitshalber haben wir diesen Lesestoff zum Thema „Subsidiäre Haftung“ sehr vereinfacht und kurzgefasst formuliert. Wir übernehmen keine Haftung für die Unvollständigkeit der darin enthaltenen Informationen und für die Folgen der aufgrund dieser Informationen ohne spezielle professionelle Beratung gefassten Beschlüsse.


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    © Mosgo & Partner. Moskau, 2019.


    Wortlaut des Gesetzes: Soweit nichts Anderes durch dieses Föderalgesetz vorgesehen ist, wird zu Zweckes dieses Föderalgesetzes als die einen Schuldner kontrollierende Person eine natürliche oder juristische Person bezeichnet, welche über das Recht, bindende Anweisungen an den Schuldner zu erteilen, verfügt oder im Laufe der die Entstehung von Insolvenzmerkmalen vorangehenden drei Jahren sowie im Laufe der Zeitperiode zwischen der Entstehung dieser Merkmale und der Annahme durch das Wirtschaftsgericht des Insolvenzantrags verfügt hat, sowie welche die Möglichkeit, auf andere Weise die Tätigkeiten des Schuldners, einschließlich des Abschlusses von Geschäften und Abstimmung ihrer Bedingungen, zu beeinflussen, gehabt hat (Art. 61.10 Pkt. 1 des Insolvenzgesetzes).

    Zu Zwecken dieser Regelung werden nur die Schulden der Gläubiger dritter Ordnung (die zahlreichste Gruppe der Gläubiger) in Betracht gezogen.

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